Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine häufige neurologische Entwicklungsstörung, die durch Unaufmerksamkeit und Impulsivität gekennzeichnet ist. Die weltweite Häufigkeit von ADHS bei Erwachsenen wird auf 2,6 Prozent geschätzt. Während ihre Auswirkungen auf die schulische und berufliche Leistungsfähigkeit gut bekannt sind, ist weniger darüber bekannt, wie ADHS-Merkmale mit dem Finanzverhalten zusammenhängen, insbesondere in risikoreichen Kontexten wie dem Online-Handel.
„Erwachsene mit ADHS zeigen oft ein impulsiveres und spontanerem Finanzverhalten, was mit schlechteren finanziellen Ergebnissen und potenziell höheren finanziellen Risiken verbunden ist“, sagt Co-Seniorautorin Prof. Alexandra Philipsen, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKB und Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn. „Dies unterstreicht die dringende Notwendigkeit gezielter Maßnahmen zur Verbesserung der finanziellen Entscheidungsfindung bei Menschen mit ADHS.“
Zu diesem Ergebnis kam das Bonner Forschungsteam als es die Zusammenhänge zwischen ADHS-Merkmalen und finanziellen Entscheidungen untersuchte. Dazu befragte es 945 aktive Online-Händler*innen. Die Stichprobe der online-Umfrage bestand mit 74,5 Prozent überwiegend aus Männern mit einem Durchschnittsalter von 34 Jahren und wies im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein überdurchschnittliches Bildungsniveau, Einkommen und finanzielles Engagement auf.
Unaufmerksamkeit ist Treiber von risikoreichen Finanzverhalten
Das Bonner Forschungsteam geht davon aus, dass bei dem Finanzverhalten vermutlich verschiedene Faktoren zusammenspielen: die Suche nach kurzfristiger Belohnung, eine geringere Frustrationstoleranz und Schwierigkeiten, langfristige Strategien konsequent umzusetzen. Überraschend für die Forschende war, dass vor allem die Unaufmerksamkeit der entscheidende Treiber für riskantes Handeln und schlechterem Portfolioperformance war. „Wir hatten eher einen stärkeren Einfluss der Impulsivität erwartet. Dass dagegen die Unaufmerksamkeit das deutlichere Risiko darstellt, war für uns unerwartet“, sagt Erst- und Korrespondenzautor Dr. Max Witry von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKB.
Die Studienergebnisse legen nahe, dass Betroffene von gezielter Sensibilisierung und ergänzender finanzieller Beratung profitieren könnten. Daher planen die Bonner Forschenden bereits eine ergänzende Studie in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich, um die kausalen Zusammenhänge genauer zu klären.