Das Aktin-Zytoskelett besteht aus Filamenten, die sich lokal zu Netzwerken höherer Ordnung organisieren und eukaryotischen Zellen ihre Form und Bewegungsfähigkeit verleihen. Aktin-Filamente verbinden sich mit fast allen internen Organellen, steuern den intrazellulären Transport und tragen zur Aufrechterhaltung des richtigen zellulären Gleichgewichts bei. Damit sich Aktin-Netzwerke ausdehnen, zusammenziehen oder neu organisieren können, wenn die Zelle auf ihre Umgebung reagiert, bauen spezialisierte Aktin-regulierende Proteine diese Filamente kontinuierlich auf und ab. Defekte in einzelnen Aktin-regulierenden Proteinen führen zu immunbedingten Aktinopathien, einer bedeutenden Ursache für angeborene Immundefekte (IEIs). Bis heute wurden Mutationen in Genen, die für fast 30 Aktin-regulierende Proteine kodieren, als mit dem Auftreten von IEIs assoziiert identifiziert. „Durch die Kombination unserer jeweiligen Fachkenntnisse in Humangenetik und Immunzellbiologie haben Kaan Boztug und ich in den letzten Jahren daran gearbeitet, die Funktion einiger dieser krankheitsbezogenen Aktinregulatoren aufzuklären“, sagt Loïc Dupré, Forschungsdirektor am Inserm am Institut für Infektions- und Entzündungskrankheiten in Toulouse, Frankreich. „Dadurch haben wir unser Verständnis der Funktionsweise von Immunzellen verbessert.“
Angeborene Immundefekte
Angeborene immunbezogene Aktinopathien unterstreichen die Bedeutung der Dynamik des Zytoskeletts für die Funktion von Immunzellen. „Betroffene Personen zeigen eine deutlich erhöhte Anfälligkeit für Infektionskrankheiten, weisen aber oft auch eine Vielzahl von autoimmunen und autoinflammatorischen Symptomen auf“, erklärt Prof. Kaan Boztug, Leiter der Klinik für Pädiatrische Immunologie und Rheumatologie am UKB und Mitglied von ImmunoSensation2 der Universität Bonn. „Die zugrundeliegenden zellulären Fehlfunktionen können vielfältig sein.“ Aktinopathien können die normale Regulation von T- und B-Zellen stören, was zu einer beeinträchtigten Immuntoleranz und damit zu Autoimmunreaktionen führt. In myeloischen Zellen, die Teil des angeborenen Immunsystems sind und als erste Verteidigungslinie gegen Infektionen dienen, können Aktinopathien übermäßige Entzündungsreaktionen auslösen, die zu chronischen Entzündungen führen.
Auswirkungen der Immundiversität
Nicht nur die Mechanismen, die immunbezogenen Aktinopathien zugrunde liegen, sind vielfältig. Auch die daraus resultierenden Symptome können trotz ähnlicher Aktin-bezogener Mutationen erheblich variieren. „Zusätzliche genetische und umweltbedingte Faktoren können erklären, warum Personen mit ähnlichen Aktin-bezogenen Mutationen sehr unterschiedliche Symptome aufweisen können“, erklärt Prof. Boztug. In zukünftigen Forschungsprojekten könnten Mausmodelle dabei helfen, Defekte, die direkt durch Aktinmutationen verursacht werden, von solchen zu unterscheiden, die durch andere Faktoren beeinflusst werden. „Um die Immundysregulation bei diesen Erkrankungen vollständig zu verstehen, müssen wir unseren Blickwinkel von einzelnen Zellen oder Genen weg verlagern und einen systemischen Ansatz verfolgen, der berücksichtigt, wie verschiedene Zelltypen innerhalb des Immunsystems interagieren“, fügt Prof. Boztug hinzu. Zukünftige Studien müssen größere Patientengruppen einbeziehen, um die Mechanismen hinter der Immundysregulation besser zu verstehen und Biomarker zu identifizieren, mit denen sich das Risiko vorhersagen lässt. Gleichzeitig wird die Entwicklung gezielterer Therapien unerlässlich sein, um das wachsende zelluläre und molekulare Verständnis dieser Erkrankungen in eine verbesserte klinische Versorgung der betroffenen Patienten umzusetzen.