Universität Bonn

Medizinische Fakultät

21. Juni 2023

Wie lässt sich der Fleischkonsum reduzieren? Wie lässt sich der Fleischkonsum reduzieren?

Wissenschaftlerinnen führen eine Online-Studie mit 1093 Teilnehmenden in Deutschland durch

Fleischkonsum in größeren Mengen ist schädlich für die Gesundheit, die Umwelt und das Tierwohl. Wissenschaftlerinnen der Gesundheits- und Risikokommunikation am Institut für Hausarztmedizin haben untersucht, wie sich die Akzeptanz für eine Reduktion des Tierkonsums bei Verbrauchern steigern lässt. Die Studie ist im Journal Appetite erschienen.

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„Für unsere Arbeit haben wir die Theorie des geplanten Verhaltens von Ajzen (1991) als theoretisches Rahmenmodell zugrunde gelegt“, sagt die Psychologin Alice Seffen vom Forschungslabor für Gesundheits- und Risikokommunikation am Institut für Hausarztmedizin. Die Theorie geht davon aus, dass das geplante Verhalten abhängig von der Intention ist. Die ist wiederum abhängig von der Einstellung (Wie gut oder schlecht finde ich eine Reduzierung des Fleischkonsums?), der subjektiven Norm (Wie hoch ist der wahrgenommene soziale Druck, den Fleischkonsum zu reduzieren?) und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle (Inwiefern glaube ich, dass ich es tatsächlich schaffen kann, weniger Fleisch zu essen?).

Diese drei Variablen basieren wiederum auf spezifischen Überzeugungen. „Beispielsweise könnte die Einstellung gegenüber einer Fleischreduzierung davon abhängen, inwieweit eine Person glaubt, dass diese gesundheitsfördernd ist“, sagt die Doktorandin Alice Seffen. „Wir haben die Variablen dieser Theorie in Hinblick auf das Verhalten Fleischreduzierung erfasst und die angenommenen Zusammenhänge geprüft.“

Die Wissenschaftlerinnen führten eine Online-Studie mit 1093 Teilnehmenden in Deutschland durch. Die Stichprobe war in Hinblick auf die Variablen Alter und Geschlecht repräsentativ für die deutsche Bevölkerung. An der Studie konnten nur Personen teilnehmen, die mindestens einmal pro Woche Fleisch essen.

In dem Fragebogen wurden insbesondere die Variablen der Theorie des geplanten Verhaltens erfasst, das heißt die Intention, weniger Fleisch zu essen, die Einstellung, die subjektive Norm und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle. Außerdem haben die Forschenden die Zustimmungen zu einer Vielzahl an Überzeugungen gemessen.

Alle drei Variablen zeigten einen signifikanten positiven Einfluss auf die Intention: Je positiver die Einstellung, je höher der soziale Druck, und je höher die wahrgenommene Verhaltenskontrolle, desto größer fiel jeweils die Intention aus, den Fleischkonsum zu reduzieren. Den größten Einfluss auf die Intention hatte die Einstellung, gefolgt von der subjektiven Norm und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle.

Argument Gesundheit zieht

Für die Einstellung waren vor allem Überzeugungen über den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Fleischkonsum wichtig: `Wenn ich meinen Fleischkonsum reduzieren würde, dann würde mein Risiko für bestimmte Erkrankungen sinken´. Überzeugungen in Hinblick auf die Umwelt und das Tierwohl waren weniger relevant. Das Verhalten und die Erwartungen von Freunden und der Familie waren für den sozialen Druck ausschlaggebend. Alice Seffen: „Wer angab, Gerichte ohne Fleisch kochen zu können, genug Zeit für die eigene Ernährung zu haben und Fleischersatzprodukte leicht erwerben zu können, zeigte tendenziell eine höhere wahrgenommene Verhaltenskontrolle.“

Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass soziale Normen das Essverhalten maßgeblich beeinflussen. Individuen passen ihr Essverhalten daran an, was andere Menschen essen und was andere von ihnen erwarten. Dieser soziale Druck kann auf verschiedenen Ebenen wirken. Auf nationaler Ebene ist relevant, welche Essenskultur in Deutschland verbreitet ist. Bei klassischen deutschen Gerichten steht Fleisch meistens im Mittelpunkt, zum Beispiel Schnitzel mit Pommes. Die Mehrheit der Deutschen isst regelmäßig Fleisch. „Fleisch essen kann deutschlandweit also als Norm bezeichnet werden“, sagt die Psychologin.

Da Essen häufig in sozialen Situationen stattfindet – etwa zusammen mit der Familie, Freunden oder ArbeitskollegInnen - ist die Peer-Group von besonderer Bedeutung: Was essen die Anderen und was erwarten sie von mir? Bei einem gemeinsamen Essen muss man sich außerdem häufig auf ein Gericht einigen. Wenn man wenig oder gar kein Fleisch essen möchte, können andere dies sowohl erleichtern (wenn sie auch kein Fleisch essen möchten) als auch erschweren (wenn sie unbedingt Fleisch essen möchten).

Interventionsmöglichkeiten

„Um die Motivation für weniger Fleischkonsum zu erhöhen, scheint es besonders vielversprechend die Einstellung gegenüber der Fleischreduzierung zu verbessern“, sagt Alice Seffen. „Dafür sollten insbesondere die gesundheitlichen Vorteile kommuniziert werden.“ Da auch der soziale Druck bedeutsam war, sollten Interventionen das soziale Umfeld, insbesondere Familie und Freunde, mitberücksichtigen. Aus der Forschung ist bekannt, dass auch die Veränderung gesamtgesellschaftlicher Normen vielversprechend ist, etwa indem Mensen und Kantinen eine große Auswahl an fleischfreien Gerichten anbieten.

„Um Personen zu überzeugen, dass sie es schaffen können, weniger Fleisch zu essen, sollte es mehr Interventionen geben, die konkrete `Skills´ adressieren. Das heißt Personen bei Bedarf an die Hand nehmen und kleinschrittig zeigen, wie man fleischfreie Gerichte plant, dafür einkauft und kocht“, berichtet die Psychologin. Auch das Kommunizieren von fleischfreien Rezepten könne hilfreich sein.

Die Wissenschaftlerinnen sehen weiteren Forschungsbedarf: Zum einen brauche es mehr experimentelle Studien und Längsschnittstudien, um die Zusammenhänge zu testen. Zum anderen sei es wichtig zu beachten, dass eine hohe Motivation alleine häufig nicht zu dem intendierten Verhalten führt. Eine Person kann hochmotiviert sein, es kann aber diverse Gründe dafür geben, dass sie dieses Ziel nicht in die Tat umsetzen kann. „Daher ist es wichtig, sich auch die Intention-Verhalten-Lücke in Bezug auf Fleischreduzierung genauer anzuschauen“, sagt Alice Seffen. „Dies tun wir aktuell in unserem Projekt Selbstregulation und Fleischkonsum (https://www.medfak.uni-bonn.de/hrcl/de/forschung).“

Informationen: www.hrcl.uni-bonn.de

Alice Seffen - vom Forschungslabor für Gesundheits- und Risikokommunikation am Institut für Hausarztmedizin.
Alice Seffen - vom Forschungslabor für Gesundheits- und Risikokommunikation am Institut für Hausarztmedizin. © Foto: Katharina Wislsperger/UKB
Prof. Dr. Simone Dohle - vom Forschungslabor für Gesundheits- und Risikokommunikation am Institut für Hausarztmedizin.
Prof. Dr. Simone Dohle - vom Forschungslabor für Gesundheits- und Risikokommunikation am Institut für Hausarztmedizin. © Foto: Katharina Wislsperger/UKB

Seffen, A. E., & Dohle, S. (2023): What motivates German consumers to reduce their meat consumption? Identifying relevant beliefs. Appetite, 187, 106593. https://doi.org/10.1016/j.appet.2023.106593

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